Der Lauf des Maschinengewehrs war auf mein Herz gerichtet. In seinen Augen Blutlust. Und in mir Angst. Niemand anders war hier. Auch ich hatte meine Waffe auf ihn gerichtet. Meine AK. In der Nacht noch auseinander genommen, gereinigt und zusammengesetzt. Schlaf ist ein Segen Gottes, den die Menschen in seinem Reich erhalten – wir dagegen … trotz der Explosionen im Hintergrund, trotz der Schreie und den ratternden Schüssen war es still, zwischen ihm und mir. Weder er noch ich bewegten uns. Drei Meter Abstand. Wir blickten. Blinzeln hieß Schwäche, und der erste Fehler. Ich sah den Panther in ihm, ein verletzter, seelenverwundeter. Das Maul blutig, die Glieder gespannt, bereit. Wir verharrten so lange. Elisabeth. Ferdinand. Mein kleines Wir, das von diesem russischen Raubtier gegenüber abhing – und von mir. Mein Zeigefinger zitterte. Warum tat er nichts? Warum tat ich nichts? Er war der Feind. So wie ich, für ihn. Unsere Bestimmung war einander zu töten. Das Leben aus dem Körper zu bleien. Langsam hob er sein Bein, ich zuckte, meine Rüstung ruckte – er hielt inne. Bei seiner nächsten Bewegung schrie ich: “HALT!”, und er verstand, trotz Sprachkluft. Ich sollte schon längst – doch … was, wenn er mein Spiegelbild war, ein russisches? Frau und Kind, daheim? Ich würde es zerstören, wie ich es bereits in diesem Krieg zerstört hatte. Vielleicht. Wahrscheinlich. Die Hölle glühte schon längst unter mir – ich konnte sie riechen. Wen kümmert Gott. Da unten brannte die Verdammung, und ich hörte das ewige Leid, aus der Teufelsschlucht in mir. Dem Russen musste Ähnliches durch den Kopf schießen, verrieten seine Augen. Ja war es das? Ging es darum? Ein bloßes Er-oder-ich? Du-oder-ich? Alternative? Gegenseitiger Frieden? Nur hier, nur wir, mitten im Krieg? Nur um dann, heute, oder morgen, bis irgendwann, zum Waffenstillstand, oder Tod, doch noch zu morden? – die weißen Augen des verdreckten, russischen Gesichts blinzelten. Und da blinzelte ich. Und allmählich, als ob ich träumte, löste er seine Hand vom Abzug, und richtete die Waffe in die Luft. Ich zielte weiterhin auf ihn, doch ließ ihn sich bewegen, Seitschritt für Seitschritt, langwierig, bis er im Halbkreis um mich herum gegangen war. Die Augen wurden glasig. Schon wandte er sich ab, in Richtung der Staubwolken –
“Dimitrij!”, schallte es aus der Ferne; ein Fremder, Feind, er sah mich, ich reagierte, Dimitrij sah, wir reagierten.
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