In meinem Tagebuch, das halb digital (Evernote sei dank) und halb handschriftlich geführt wird, habe ich folgenden Satz aufgeschrieben: Das Leben, die Umwelt, antwortet nicht mir, sonder ich ihm. Oder wir uns beiden.
Inspiriert wurden diese Worte durch ein Ereignis in der Steiermark, in der ich just war, um eine neue Leinwand in einer ganz bestimmten Stimmung zu malen: schwere, dunkel- und hellgraue Wolken, die über saftigem Grün der in der Ferne immer dunstiger werdenden Bergketten hängen und sich in den graugoldenen Weizenfeldern, die von Mohn- und Kornblumen durchwachsen sind, brechen.
Erlebt hatte ich diese Stimmung Wochen zuvor, als ich von Belgien zum ersten Steiermark-Besuch dieses Jahres reiste (meinen Eltern sei Dank); damals fehlten mir aber die Mittel, um die Leinwand zu beginnen. Ich kehrte nach Wien zurück, erledigte Zeugs und 10 Tage später ging es erneut in die Steiermark, mit (beinah) allem Notwendigen (die Feldstaffelei hatte ich vergessen …).
Nur hatte das Wetter mir nun seinen Mittelfinger entgegengestreckt: kitschigblauer Himmel, heiße Sonne. Um Verhältnisse auszumessen und die ersten Grüntöne auf die Leinwand zu malen reichte das noch aus. Aber dann … dann kam der Sonntag, wie gerufen, mit der Stimmung, die ich brauchte, die ich wollte.
Ohne Regen, doch mit schwerem Wolkenhimmel – ach! Ganz vergessen: zwischendurch hatte ein böser Mähdrescher das Feld, von dem aus ich die Leinwand malen wollte, abrasiert – und mit ihm auch die Blumen. Eine ganze Horde Mähdrescher hat durch die Gegend um Judenburg gewütet und jenen schönen Weizen geerntet, so wunderbar maschinell, damit wir, oder andere Tiere, etwas zu essen haben – übrigens werde ich nie vergessen, wie ich in meiner gesegneten Kindheit, bei einem der jährlichen Österreich-Besuche mit meinem Cousin Leo (wie all die Jahre zuvor und danach, bis ein gewisses Alter diese kindliche Freude unterdrückt hat) sehnsüchtig auf die Mähdrescherfahrer, die uns Kinder aus Rattenberg kannten, gewartet habe, mit meinem Lieblingsfahrer mit durfte, um den ganzen Tag beim Dreschen dabei zu sein und er plötzlich mich, seinen winzigen Beifahrer, fragte, ob ich nicht den Mähdrescher lenken wolle – was?! Was hatte er da gefragt? Natürlich! Konnte kaum übers Lenkrad blicken, und da sollte, durfte! ich diesen massiven, tausendfach größeren und schwereren Koloss steuern?! Was ein Glückstag! Was ein Glücksgefühl! Leider versagte ich dabei komplett. Konnte mit der Maschine keine gerade Linie auf dem zu dreschenden Feld fahren, und so nahm er (seinen Namen weiß ich leider nicht mehr) das Steuer wieder an sich – enttäuscht, wenn ich mich recht erinnere.
Auf alle Fälle konnte ich also vorgestern die Wolkenstimmung grob einfangen; dann, gestern, im Regen, Teile des Grüns überarbeiten. Auch schön zu erleben war es, dass die vielen Wanderer und Läufer jedes Alters (zugegeben: der Durchschnitt lag wahrscheinlich bei Ende sechzig) begeistert auf das Werk “des Künstlers”, wie sie mich schon fast rücksichtslos laut nannten – “Aber es regnet ja!”, sagte eine Oma noch, die nicht mehr gesund aussah (sagen wir: eine alte Frau. Ich weiß nicht, ob sie Oma ist). Ich blickte sie an und nickte. Was soll ich denn machen, dachte ich mir. Es regnet, und ich will genau das malen. Gibt ja wohl schlimmeres. Nun ja. In der Leinwand ist deswegen jetzt echter steirischer Regen (zum Thema Authentizität); und jene entfernten Ähren muss ich von einem beim ersten Steiermark-Besuch gemachten Foto abmalen. Aber es wird schön – was mich zum letzten Teil des Blogeintrags bringt.
Reicht Schönheit in der Kunst? Ist schön genug, auf einer Leinwand? Schöne Farben, schöne Motive, Stimmung, Stil. Was könnte da fehlen? Die Geschichte! Etwas, das mich bei der Stoupa-Leinwand abgefuckt hat. Zugegeben: sie gefällt mir nicht schlecht, und wirkt, zumindest auf mich und diejenigen, die vor ihr standen, aber dennoch fehlt mir etwas … In einer anderen begonnen Leinwand, die einen Innenhof um einen einsamen, darin wachsenden Baum zeigt (der Innenhof des Gebäudes meiner Wohnung), da erzählt das Motiv etwas, und genug, finde ich. Eine einfache Landschaft hingegen – hm. Das Cezanne-Argument? Oder von mir aus auch: das Monet-Argument? Oder Van-Gogh, oder Braque, oder, oder, oder … Landschaften, schön, ja – und vielleicht bin ich einfach zu ignorant, ungebildet oder arrogant-unwürdigend dafür, um die Schlichtheit einer schönen Landschaftsmalerei als ausreichend zu empfinden – aber irgendwie genügt es mir nicht. Vielleicht bin ich zu sehr Autor dafür. Hm. Mal sehen, was Schiller in der ästhetische Erziehung des Menschen darüber zu sagen hat. Auf alle Fälle gibt’s genug zu lernen. So. Eine schöne Woche.
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